AGAMREE (Vamorolon), der erste Arzneimittelkandidat mit diesem Wirkprofil, bindet an dieselben Rezeptoren wie Kortikosteroide, verändert jedoch die nachfolgende Aktivität der Rezeptoren1,2. Dies kann möglicherweise die Wirksamkeit von den bekannten Verträglichkeitsnachteilen abkoppeln (bzw. „dissoziieren“) und eine vielversprechende Alternative bieten für Kortikosteroide, die derzeit standardmässig zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit DMD verabreicht werden. In dieser Patientengruppe besteht ein erheblicher medizinischer Bedarf, da hochdosierte Kortikosteroide zu bedeutenden systemischen Nebenwirkungen führen, die die Lebensqualität der Patienten beeinträchtigen.
Santhera besitzt eine exklusive Lizenz von ReveraGen für alle Indikationen weltweit für Vamorolon.Das unternehmen hat die Rechte an Vamorolon für Nordamerika an Catalyst Pharmaceuticals und für China an Sperogenix Therapeutics auslizenziert.
AGAMREE für die Behandlung von DMD ist von der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) zugelassen; in Europa hat der Zulassungsantrag (MAA) im Oktober 2023 eine positive Stellungnahme des CHMP der Europäischen Arzneimittelagentur erhalten und wird derzeit von der britischen Medicines and Healthcare products Regulatory Agency (MHRA) geprüft.
Vamorolon wurde entwickelt von dem US-amerikanischen Unternehmen ReveraGen BioPharma Inc. und mit finanzieller Unterstützung von mehreren internationalen gemeinnützigen Stiftungen, den US National Institutes of Health, dem US-Verteidigungsministerium und dem EU-Förderprogramm Horizont 2020. Weitere Informationen zu Vamorolon und dessen Entwicklungsprogramm sind hier verfügbar.
Der Beginn des klinischen Entwicklungsprogramms mit Vamorolon bei Patienten mit DMD folgte nach einer klinisch-pharmakologischen Studie (VBP15-001, clinicaltrials.gov NCT02415439) an gesunden Probanden, bei denen Biomarker-Messungen auf ein reduziertes Auftreten von Nebenwirkungen - wie Knochenbrüchigkeit, Stoffwechselstörungen, Immunsuppression - hinwiesen, die typischerweise bei traditionellen Kortikosteroiden auftreten 3.
Das Phase-2a-Programm umfasste zwei aufeinander folgende Studien bei 48 Knaben mit DMD im Alter von 4 bis <7 Jahren ((VBP15-002, clinicaltrials.gov NCT02760264 und VBP15-003, clinicaltrials.gov NCT02760277). Diese Studien mit einer Gesamtdauer von 6 Monaten untersuchten die Wirksamkeit und Verträglichkeit von oral verabreichtem Vamorolon in den Dosisstärken 0.25, 0.75, 2.0 und 6.0 mg/kg/Tag (12 Knaben pro Behandlungsgruppe). Diese Studiendaten zeigten, dass Vamorolon sicher und gut verträglich war sowie über einen Zeitraum von 6 Monaten und proportional zur Dosis zu funktionalen und motorischen Verbesserungen führte 4, 5. Die Behandlung mit Vamorolon führte zudem zu erhöhten Plasmaspiegeln von Osteocalcin, ein für die Knochenbildung relevanter Biomarker, was auf eine mögliche Verringerung von Knochenschwäche hinweist, wie sie in Verbindung mit Kortikosteroiden auftreten. Biomarker-Messungen zur Unterdrückung der Nebennierenfunktion und Insulinresistenz wiesen ebenfalls auf eine bessere Verträglichkeit der Vamorolon Behandlung im Vergleich zu veröffentlichten Studien zur Kortikosteroid-Therapie hin.
Nach Abschluss der VBP15-003-Studie hatten Patienten die Möglichkeit, die Behandlung mit Vamorolon im Rahmen der jetzt erfolgreich beendeten, 24-monatigen offenen Langzeit-Anschlussstudie (VBP15-LTE) fortzusetzen.
Die Phase-2b-Studie VISION-DMD war eine 48-wöchige Studie (VBP15-004; clinicaltrials.gov id NCT03439670), die (1) in einer ersten pivotalen 24-wöchigen Periode die Wirksamkeit und Sicherheit von Vamorolon (2 und 6 mg/kg/Tag) im Vergleich zu Prednison (0.75 mg/kg/Tag) und Placebo untersuchte und (2) in einer nachfolgenden 24-wöchigen Periode die Aufrechterhaltung der Wirksamkeit beurteilte und zusätzliche längerfristige Daten zur Sicherheit und Verträglichkeit erhob. Während der zweiten Periode dieser 48-wöchigen Studie erhielten alle Probanden Vamorolon. Die Probanden aus den Placebo- und Prednison-Gruppen wurden entweder in die 2 oder 6 mg/kg/Tag-Dosis Vamorolon randomisiert und die aktuellen Vamorolon-Gruppen erhielten weiterhin ihre bestehende Dosis. 121 ambulant behandelte Jungen im Alter von 4 bis <7 Jahren mit Duchenne-Muskeldystrophie (DMD) nahmen an der Studie teil.
In dieser Studie erreichte Vamorolon den primären Endpunkt in Woche 24 und zeigte über 48 Wochen hinweg eine anhaltende Wirksamkeit bei mehreren Endpunkten. Der primäre Endpunkt der Studie ist die TTSTAND-Geschwindigkeit nach 24 Wochen, wobei die 6 mg/kg/Tag-Dosis von Vamorolon mit Placebo verglichen wurde. Die TTSTAND-Geschwindigkeit misst die Geschwindigkeit, mit der Patienten in der Lage sind, aus der Rückenlage aufzustehen, und ist ein anerkannter Marker für die Muskelfunktion. Zu den sekundären Wirksamkeitsmessungen gehörten die TTSTAND-Geschwindigkeit für Vamorolon in der niedrigeren Dosis von 2 mg/kg/Tag, der Sechs-Minuten-Gehtest (6MWT) und die Zeit zum Laufen/Gehen über 10 Meter (TTRW) nach 24 Wochen.
Neben der Wirksamkeit zielte die Studie darauf ab, das günstige Verträglichkeitsprofil von Vamorolon zu bestätigen, mit dem Potenzial eine Alternative zur derzeitigen Standardbehandlung zu bieten. Obwohl Glukokortikoide Teil der aktuellen Behandlungsempfehlungen für DMD sind, schränkt ihr Nebenwirkungsprofil ihren Einsatz ein.
In den bisherigen klinischen Studien war Vamorolone im Allgemeinen sicher und gut verträglich. Die am häufigsten gemeldeten unerwünschten Ereignisse im Vergleich zu Placebo aus der VISION-DMD-Studie waren cushingoides Aussehen, Erbrechen und Vitamin-D-Mangel. Unerwünschte Ereignisse waren im Allgemeinen von leichtem bis mittlerem Schweregrad.
Vamorolon hat in den USA und in Europa für DMD den Status eines Arzneimittels für seltene Krankheiten (Orphan Drug) erhalten und wurde von der US-amerikanischen FDA als Fast Track und Rare Pediatric Disease sowie von der britischen MHRA als Promising Innovative Medicine (PIM) für DMD eingestuft.
Vamorolon ist derzeit ausserhalb der USA nicht für die Anwendung zugelassen.